Teil 21 – Mensch und Tier bei Hochwasser auf engstem Raum
Teil 21 – Mensch und Tier bei Hochwasser auf engstem Raum
Schon immer lebten die Menschen in Werdohl gut und gerne mit und von dem Fluss. An den Ufern der Lenne standen die Frauen und wuschen die Wäsche, die anschließend zum Trocknen auf den Wiesen zum bleichen ausgebreitet wurden. Wo sich heute der Parkplatz an der Goethestrasse befindet, war die größte Wiese des Dorfes und dort versammelten sich die Frauen des Dorfes bei der großen Wäsche. Der Fluss gab aber auch Nahrung für die Dorfgemeinschaft.
Damals war der Fischreichtum noch größer und die Fischerei sorgte für ein wenig Abwechslung auf dem Speiseplan. Zwar durften nur die Inhaber der Fischereirechte dort fischen, aber das was diese nicht selber benötigten wurde zum Verkauf angeboten. Für die Kinder des Dorfes war die Lenne im Hochsommer die einzige Bademöglichkeit um der Hitze etwas zu entkommen. Zu der Zeit war die Lenne in jedem Winter zugefroren, und man nutzte die Eisfläche für manche Eissportarten.
Setzte das Tauwetter ein, wurde es schon gefährlicher. Auf der alten Stadtbrücke standen einige Männer Wache und beobachten das Eis. Wenn bei Tauwetter die Eismassen der Lenne in Bewegung kamen, klang der Warnruf „ Ihs geiht“. Dann eilten die Bürger mit Feuerhaken zum Brückenschutz. Man musste aufpassen, dass die Eisplatten nicht die Brückenpfeiler beschädigten. Da die alte Stadtbrücke viele Bögen und Pfeiler hatte, wurde bei Hochwasser der Durchfluss des Wassers erschwert. Hinzu kam noch das Schmelzwasser aus den umliegenden Flüsse und Bäche.
Dann waren die Häuser vor allen Dingen am Sand und in der Ruhr (heute Goethestrasse) vom Hochwasser bedroht. Aus diesem Grund waren viele Häuser am Sand so gebaut, dass die eigentliche Wohnung im ersten Stock lag. In der unteren Etage war Kleinvieh wie Hühner, Gänse oder Ziegen untergebracht. In früheren Zeiten kam das Hochwasser jedes Jahr ohne Ausnahme. In ganz schlimmen Fällen stand das Hochwasser selbst bis am Busenhof und im alten Dorf. Wenn die Lenne also wieder ihr Bett verlies und über die Ufer trat, wurden schnell die Tiere aus der unteren Etage in den Wohnbereich des ersten Stockes hochgetragen. So mussten manchen Bewohner der Hochwassergebiete ein paar Tage mit den Tieren zusammen in einer Wohnung leben. Erst mit dem Bau der zahlreichen Talsperren im Sauerland bekam man das Hochwasser unter Kontrolle.
Bild: Das Haus stand „Am Sand“. Unten lebte das Kleinvieh und oben wurde gewohnt. Bei Hochwasser wurden die wertvollen Habseligkeiten und die Tiere nach oben getragen. Das Haus ist Ende der 1930er Jahre abgerissen worden. Es stand da, wo sich heute in etwas „Wurst Wagner“ befindet. Im Hintergrund sieht man die Rückfront des ehemaligen Hotels Quitmann. (heute Keinecke)